Herzgesundheit und Komplementärmedizin?

WIE SINNVOLL IST KOMPLEMENTÄRMEDIZIN?

Die konventionelle Therapie der Herzinsuffizienz fokussiert sich auf die akutmedizinische Versorgung und die medikamentöse Kontrolle von Risikofaktoren. Nahrungsergänzungsmittel, Sport und traditionelle chinesische Medizin sollen die konventionelle Behandlung ergänzen – aber nicht ganz ohne Risiken.

Der Einsatz ergänzender, komplementärmedizinischer Methoden bei Herzinsuffizienz (HI) kann sinnvoll, aber bei falscher Anwendung durchaus schädlich sein. Die American Heart Association (AHA) hat in einem vor kurzem veröffentlichten Statement potentielle Wirkstoffe in nützlich und gefährlich unterteilt.1

Von der AHA als potentiell sinnvoll eingestuft sind:1

  • Coenzym Q10
  • D-Ribose
  • L-Carnitin
  • Omega-3-Fettsäuren
  • Thiamin (bei nachgewiesenem Mangel)
  • Vitamin C (bei nachgewiesenem Mangel)
  • Vitamin D (bei nachgewiesenem Mangel)

VORSICHT: HIER LAUERN GEFAHREN

Potentiell schädlich bei einer Herzinsuffizienz sind laut AHA:1

  • Bitterorange 
  • Blauer Hahnenfuß
  • Teufelskralle
  • Gingko wegen des Blutungsrisikos und potenzieller Wechselwirkungen mit der Medikation
  • Gossypol 
  • Grapefruitsaft wegen der potenziellen Wechselwirkungen mit der Medikation
  • Bischofskraut 
  • Lakritz wegen der mineralocorticoiden Wirkung
  • Maiglöckchen, Oleander und Strophanthus-Arten wegen der enthaltenen Herzglykoside
  • Vitamin E in höheren Dosen (> 400 IE/Tag)

COENZYM Q10: VIELVERSPRECHENDE ERGEBNISSE

Coenzym Q10 kann von unserem Körper selbst hergestellt, sowie über die Nahrung aufgenommen werden. Besonders tierische Produkte enthalten viel Coenzym Q10, aber auch Gemüse wie Paprika und Spinat enthalten Coenzym Q10.2

Coenzym Q10 spielt eine wichtige Rolle bei der Übertragung von Signalen innerhalb des Herzmuskels sowie bei der Energiegewinnung. Es konnte eine direkte Verbindung zwischen der Coenzym Q10-Konzentration und der Schwere der HI festgestellt werden – je niedriger die Coenzym Q10-Konzentration, desto schwerer die HI. Eine Analyse von 14 Studien zeigte, dass die Zufuhr von Coenzym Q10 zu einer Abnahme der Sterblichkeit im Vergleich zu Placebo, sowie zu einer signifikanten Reduzierung der Schwere einer Herzinsuffizienz innerhalb von 2 Jahren führte.1,3,4 

Dennoch betont die AHA, dass weitere größere Studien fehlen, um eine klare Empfehlung auszusprechen.1 Zur selben Einschätzung kam auch ein Cochrane Review mit 11 eingeschlossenen Studien. Auch hier konnte ein Zusammenhang zwischen der Einnahme von Coenzym Q10 und dem Sterblichkeitsrisiko, sowie der Zahl der Krankenhausaufenthalte hergestellt werden – jedoch wird die Evidenz als „bestenfalls von moderater Qualität“ eingestuft.5,6

OMEGA-3 & HERZGESUNDHEIT: HÖCHSTE EVIDENZ

Omega-3-Fettsäuren gehören zu den lebensnotwendigen Fettsäuren. Sie können nicht vom Körper selbst hergestellt werden und müssen somit über die Nahrung (z. B. Seefisch und Nüsse) oder Ergänzungsmittel aufgenommen werden.7

In diversen Studien konnte ein positiver Einfluss durch die Einnahme von Omega-3-Fettsäuren auf das Herz festgestellt werden:1

  • Signifikante Zunahme der linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF)
  • Verbesserung der Deformationseigenschaften des Herzens
  • Reduktion von Entzündungen
  • Signifikante Reduzierung der wiederkehrenden Krankenhauseinweisungen im Vergleich zu Placebo

Ab einer Tagesdosis von < 4 g sei mit einem positiven Effekt für HI-Patientinnen und Patienten zu rechnen.1

BEWEGUNG: WOVON PROFITIERT DAS HERZ?

Viel Bewegung mit vergleichsweise wenig Kraftaufwand – so lautet die Empfehlung bei Herzinsuffizienz.8 Besonders hervorgehoben wurden von der AHA Yoga und Tai-Chi: Beides hat einen positiven Einfluss auf die Lebensqualität, den Puls und den Blutdruck. Es konnte eine Reduktion von Entzündungsmarker wie IL-6 und C-reaktives Protein festgestellt werden. Zudem konnte bei der Ausübung von Tai-Chi die Abnahme des NT-proBNP-Werts beobachtet werden, was auf eine Verbesserung der Schwere einer Herzinsuffizienz hinweisen kann.1

TRADITIONELLE CHINESISCHE MEDIZIN

Die Effektivität der traditionellen chinesischen Medizin gilt als wissenschaftlich gut belegt.9 Mit Hilfe von Akupunktur und Phytotherapie können die Beschwerden von Patientinnen und Patienten gelindert und die Pumpleistung des Herzens verbessert werden.9 So konnte gezeigt werden, dass die konsequente Nadelung des Punktes Perikard 6 (drei Finger breit über der Beugefalte des Handgelenks mittig zwischen Elle und Speiche, zwischen den tastbaren Beugesehnen der Finger), den neuro-endokrinen Stress reduzieren und zu einer Abnahme von Stresshormonen, sowie zu einer gesteigerten körperlichen Leistungsfähigkeit beitragen kann.9-11

In einer Studie zur Wirksamkeit von Phytotherapie konnte eine signifikante Verbesserung der Pumpfunktion des Herzens durch den Einsatz von Phytotherapeutika wie Astragali radix und Salvia miltiorrhizae radix im Vergleich zu Placebo beobachtet werden.12

Achtung: Der Einsatz von Extrakten der Pflanze Evodia rutaecarpa (Stinkeschenfrüchte) kann Herzrhythmusstörungen auslösen. Die aus der Pflanze isolierten Naturstoffe Dehydroevodiamin (DHE) und Hortiamin erwiesen sich in einer Untersuchung als potentielle Hemmstoffe der Kaliumkanäle im Herzmuskel.13 

BEDEUTUNG FÜR DEN NÄCHSTEN ARZTTERMIN:

  • Informieren Sie Ihren Arzt oder Ihre Ärztin über den eventuellen Gebrauch von Nahrungsergänzungsmitteln. 
  • Informieren Sie sich über eventuelle Wechselwirkungen zwischen Ihren Medikamente und Nahrungsergänzungsmitteln vor der Einnahme. 
  • Omega 3-Fettsäuren haben die höchste Evidenz für den klinischen Nutzen bei HI und können in Maßen sicher eingenommen werden.
  • Yoga und Tai-Chi können als begleitende Mittel zu einer medikamentösen Therapie eingesetzt werden, um die Belastungstoleranz und Lebensqualität zu steigern. 
  • Akupunktur sowie Phytotherapie zeigten im Rahmen von wissenschaftlichen Untersuchungen vielversprechende Resultate die sich in die Praxis übertragen lassen.9

    Referenzen

    1. Chow SL et al. Complementary and Alternative Medicines in the Management of Heart Failure: A Scientific Statement From the American Heart Association. Circulation. 2023;147(2):e4-e30.
    2. Coenzym Q10 - Der gesundheitliche Nutzen. www.zentrum-der-gesundheit.de/ernaehrung/nahrungsergaenzung/weitere-nahrungsergaenzungsmittel/coenzym-q10 (abgerufen am 16.11.2023).
    3. Mortensen SA et al. The Effect of Coenzyme Q10 on Morbidity and Mortality in Chronic Heart Failure: Results From Q-SYMBIO: A Randomized Double-Blind Trial. JACC: Heart Failure. 2014;2(6):641-649.
    4. Lei L, Liu Y. Efficacy of coenzyme Q10 in patients with cardiac failure: a meta-analysis of clinical trials. BMC Cardiovascular Disorders. 2017;17(1):196.
    5. Al Saadi T et al. Coenzyme Q10 for heart failure. Cochrane Database of Systematic Reviews. 2021(2).
    6. Al Saadi T et al. Coenzym Q10 bei Herzinsuffizienz. Cochrane, 03.02.2021, www.cochrane.org/de/CD008684/VASC_coenzym-q10-bei-herzinsuffizienz. (abgerufen am 03.02.2023).
    7. Omega 3 - Die Wirkung der Fettsäure. www.zentrum-der-gesundheit.de/ernaehrung/nahrungsergaenzung/omega-3-uebersicht/omega-3 (abgerufen am 16.11.2023).
    8. Herzschwäche: Ausdauertraining lindert die Beschwerden. Deutsche Herzstiftung, www.herzstiftung.de/infos-zu-herzerkrankungen/herzinsuffizienz/behandlung-und-therapie/herzschwaeche-training. (abgerufen am 20.02.2023).
    9. Hempen M. Herzinsuffizienz behandeln mit Traditioneller Chinesischer Medizin. Zeitschrift für Komplementärmedizin. 2018;10(5):35-39.
    10.Middlekauff HR et al. Acupuncture inhibits sympathetic activation during mental stress in advanced heart failure patients. J Card Fail. 2002;8(6):399-406.
    11. Kristen AV et al. Acupuncture improves exercise tolerance of patients with heart failure: a placebo-controlled pilot study. Heart. 2010;96(17):1396.
    12. Li X et al. A Multicenter, Randomized, Double-Blind, Parallel-Group, Placebo-Controlled Study of the Effects of Qili Qiangxin Capsules in Patients With Chronic Heart Failure. Journal of the American College of Cardiology. 2013;62(12):1065-1072.
    13. Baburin I et al. Dehydroevodiamine and hortiamine, alkaloids from the traditional Chinese herbal drug Evodia rutaecarpa, are IKr blockers with proarrhythmic effects in vitro and in vivo. Pharmacological Research. 2018;131:150-163.

    MAT-2408991